TIKKUN OLAM: Alles eine Frage des GeldesBeispiel
Tag 3: Geteilter Gewinn heißt genug für alle (3. Mose 19,9-10; 5. Mose 15,1-2 + 7-11; 5. Mose 24,19-22)
Auf dem Briefpapier von Compassion findet sich oben rechts eine kleine blaue Ecke. Das ist kein Zufall. Diese blaue Ecke steht für die „Ackerecke“ aus 3.Mose 19 und 5. Mose 24. Beim Abernten des Weizenackers sollten die Besitzer im Alten Israel nicht allzu gründlich sein. Nachernte und Nachlesen waren verboten. Das gleiche galt für Olivenhaine und Weinberge. Was stehen blieb, sollte den Bedürftigen zukommen. Sie konnten den Überschuss abernten und sich davon ernähren. Damit war im Prinzip eine Art soziales Sicherungssystem geschaffen. Menschen ohne eigenen Grundbesitz oder Versorger waren dadurch vor Hunger geschützt. Gleichzeitig verlangte es von den Feldbesitzern auch keine großen Opfer. Ein schlaues System. Minimaler Aufwand bei großem Nutzen. Gibt es auch heute noch solche kleinen Gewohnheiten, durch die wir ohne viel Schmerz von unserem Überschuss abgeben können? In manchen Supermärkten kann man ja sagen: „Aufrunden bitte!“. Kundinnen und Kunden können damit den Einkaufsbetrag auf de nächsten 10 Cent aufrunden, die Differenz wird gespendet. Diese Beträge schmerzen niemanden. Aber stell‘ dir mal vor, jede würde das machen. Da käme ganz schön was zusammen. Auch Unternehmen können von ihrer „Ackerecke“ abgeben. Das Stichwort „Corporate Social Responsibility“, zu Deutsch: Sozialverantwortung von Unternehmen, beschreibt ein Geschäftsmodell, das über bloße Profitmaximierung hinausreicht. Ein Teil der Gewinne dient dazu, die Gemeinschaft vor Ort zu stärken – etwa indem diakonische Werke, Schulen, Tafelläden oder Kindergärten unterstützt werden.
Eine andere Art, Gewinn zu teilen, besteht im Leihen. Die Israeliten sollten bereit sein, Menschen in Not Geld zu geben. Dabei geht es nicht um Almosen. Das wurde zurückbezahlt. Da jeder Haushalt mal in eine finanzielle Schieflage kommen kann, war das ein Zeichen von Solidarität. 5. Mose 15 macht aber deutlich, dass uns dabei aber keine Überlegungen über den eigenen Nutzen leiten sollen. Alle sieben Jahre wurden in Israel alle offenen Schulden erlassen. Jetzt könnte man sich natürlich sagen: Im sechsten Jahr verleihe ich dann kein Geld mehr, wer weiß, ob ich es dann noch zurückbekomme? Voll nachvollziehbar aus wirtschaftlicher Perspektive. Soll aber nicht die Denke der Verleiher sein. Finanzielle Risikominimierung stand also nicht ganz oben auf der Liste. 5. Mose 15,11 benennt ganz klar die Priorität Gottes: „Es werden allezeit Arme sein im Lande; darum gebiete ich dir und sage, dass du deine Hand auftust deinem Bruder, der bedrängt und arm ist in deinem Lande.“ Man könnte ja auch resignieren und sagen: „Armut wird immer da sein – unser Einsatz lohnt sich da ja nicht.“ Gott kommt zu einer anderen Schlussfolgerung und nimmt uns in die Pflicht: Wenn wir mehr haben, sollen wir davon abgeben. Umgekehrt gilt in so einer Gesellschaft dann aber auch: Wenn ich weniger habe, finde auch ich Unterstützung. Das ist Tikkun Olam in Aktion: Gott schreibt der israelitischen Gesellschaft Solidarität mit den Bedürftigen in die DNA. Wird Gewinn geteilt, ist genug für alle da.
Das war aber keine trockene Pflicht. Die Erinnerung an eigene Notzeiten in der Sklaverei in Ägypten hatte sich tief in das kollektive Gedächtnis der Israeliten eingebrannt. Jedes Jahr vergegenwärtigten sie sich im Passamahl, wie Gott sie aus der Unterdrückung befreite und ins Verheißene Land führte. Der Gewinn einer reichen Ernte heute, im Land Israel, war für sie lebendige Erinnerung an Gottes Zuwendung und Güte (5. Mose 24,22). Ihren eigenen Segen teilen, hieß also eigentlich: Segen Gottes weitergeben. Vielleicht kann das Bewusstsein, wo Gott in der Vergangenheit in unseren Familien oder uns selbst Gutes getan hat, auch für uns eine Motivationsquelle sein, Gewinn zu teilen. Denn dann haben alle genug.
Die Heilige Schrift
Über diesen Leseplan
Geld, Wirtschaft, Finanzen. Hat die Bibel dazu überhaupt eine Meinung? Aber sicher! In der Torah (1.-5. Mose) finden sich viele Prinzipien für wirtschaftliche Gerechtigkeit. In der jüdischen Reflexion über diese Texte sind sie Teil von Tikkun Olam, der Heilung einer zerbrochenen Welt, Herzensanliegen Gottes. Menschen sind da nicht Zuschauer, sondern aktiv beteiligt. Kein Lebensbereich ist ausgenommen, auch nicht Geld und Finanzen. Neugierig? Dann ist das ein Leseplan für dich!
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Wir möchten uns bei Compassion Deutschland für die Bereitstellung dieses Plans bedanken. Weitere Informationen finden Sie unter: https://compassion.de