Früh am nächsten Morgen trafen sich eine Anzahl Juden zu einer geheimen Absprache. Mit einem feierlichen Schwur verpflichteten sie sich, weder zu essen noch zu trinken, bis sie Paulus getötet hätten. Es waren mehr als vierzig Männer, die sich an dieser Verschwörung beteiligten. Sie gingen zu den führenden Priestern und den Ratsältesten und sagten: »Wir haben hoch und heilig geschworen, nichts zu essen und zu trinken, bis wir Paulus getötet haben. Ihr könnt uns dabei helfen! Sprecht im Namen des ganzen Hohen Rates beim Kommandanten vor und bittet ihn, er möge euch Paulus noch einmal vorführen. Gebt vor, dass ihr seinen Fall noch genauer untersuchen wollt. Wir aber werden uns bereithalten und ihn töten, noch ehe er bei euch eingetroffen ist.«
Ein Neffe von Paulus, der Sohn seiner Schwester, hörte von dem geplanten Anschlag. ´Unverzüglich` machte er sich auf den Weg zur Kaserne. Er wurde eingelassen und berichtete Paulus von der Sache. Paulus ließ einen der Offiziere zu sich kommen und bat ihn: »Bring diesen jungen Mann hier zum Kommandanten; er hat eine wichtige Nachricht für ihn.« Der Offizier ging zusammen mit Paulus’ Neffen zum Kommandanten und erstattete ihm Meldung: »Der Gefangene Paulus ließ mich rufen und bat mich, diesen jungen Mann zu dir zu bringen; er habe dir eine wichtige Mitteilung zu machen.« Der Kommandant fasste den Neffen des Paulus am Arm, führte ihn beiseite, sodass sie unter vier Augen miteinander sprechen konnten, und fragte ihn: »Worum geht es? Was hast du mir mitzuteilen?«
»Die Juden«, sagte der junge Mann, »haben vereinbart, dich zu bitten, dass du Paulus morgen noch einmal dem Hohen Rat vorführst – angeblich, weil sie die Vorwürfe gegen ihn noch genauer untersuchen wollen. Lass dich auf keinen Fall dazu überreden! Denn in Wirklichkeit planen mehr als vierzig von ihnen einen Anschlag auf ihn. Sie haben feierlich geschworen, nichts zu essen und nichts zu trinken, bis sie ihn getötet haben. Alles ist vorbereitet; sie warten jetzt nur noch darauf, dass du ihre Bitte erfüllst.«
Der Kommandant schärfte dem jungen Mann ein, mit niemand darüber zu sprechen, dass er ihm diese Sache anvertraut hatte. Dann ließ er ihn gehen.
Gleich darauf ließ der Kommandant zwei von seinen Offizieren kommen. »Zweihundert Soldaten sollen sich zum Abmarsch nach Cäsarea bereitmachen«, befahl er, »außerdem siebzig Berittene und zweihundert Leichtbewaffnete. Heute Abend um neun Uhr ´sollt ihr aufbrechen`! Haltet auch Reittiere für Paulus bereit. Und dann bringt ihn zu Gouverneur Felix; sorgt dafür, dass er sicher dort ankommt!«
Hierauf schrieb der Kommandant einen Brief mit folgendem Inhalt: »Klaudius Lysias entbietet dem hochverehrten Gouverneur Felix seinen Gruß! Den Mann, den ich hier zu dir schicke, hatten die Juden in ihre Gewalt gebracht, und es fehlte nicht viel, dann hätten sie ihn getötet. Als ich erfuhr, dass er das römische Bürgerrecht besitzt, schritt ich mit meinen Soldaten ein und brachte ihn vor ihnen in Sicherheit. Weil ich herausfinden wollte, was sie ihm vorwarfen, ließ ich ihn vor ihren Gerichtshof stellen. Dabei zeigte sich, dass sich ihre Vorwürfe gegen ihn nur auf strittige Fragen des jüdischen Gesetzes beziehen; es liegt keine Anklage gegen ihn vor, die ein Todesurteil oder auch nur eine Gefängnisstrafe rechtfertigen würde. Doch dann erhielt ich die vertrauliche Information, dass ein Anschlag auf sein Leben geplant ist. Deshalb schicke ich ihn jetzt so rasch wie möglich zu dir, und die Kläger werde ich anweisen, ihre Anschuldigungen bei dir vorzubringen.«
Die Soldaten machten sich, den Instruktionen entsprechend, auf den Weg und brachten Paulus noch in derselben Nacht bis nach Antipatris. Am nächsten Tag kehrten die Fußtruppen nach Jerusalem in ihre Kaserne zurück, während die Soldaten der Reiterabteilung mit Paulus weiterzogen. In Cäsarea angekommen, übergaben sie dem Gouverneur das Schreiben ´ihres Kommandanten` und führten ihm Paulus vor. Nachdem der Gouverneur den Brief gelesen hatte, wollte er ´von Paulus` wissen, aus welcher Provinz er stamme. Als er erfuhr, dass Paulus aus Zilizien kam ´und die Sache damit in seine Zuständigkeit fiel`, erklärte er: »Ich werde dich anhören und deinen Fall untersuchen, sobald auch deine Ankläger hier eingetroffen sind.« Und er ordnete an, Paulus bis dahin in seinem Amtssitz, dem ehemaligen Palast des Herodes, in Gewahrsam zu halten.